Luftschutzstollen Kapellenweg / Rosenkranzkirche ("Fuchsloch")

Luftschutzstollen Kapellenweg / Rosenkranzkirche ("Fuchsloch")

Kapellenweg, 49084 Osnabrück

Kapellenweg Osnabrück
Blick vom Kapellenweg zum Standort des ehemaligen Einstiegsschachts des Luftschutzstollens.
Foto: Haubrock | 2015

Mit dem Bau des Stollenbunkers Kapellenweg wurde im Jahr 1943 im Auftrag der Stadt Osnabrück unter Beteiligung der Anwohner begonnen. Als Standort wählte man ein Waldstück oberhalb der Rosenkranzkirche zwischen Kapellenweg, Schinkelbergstraße und Goldkampstraße, nahe der ehemaligen Marienschule.

Zunächst offenbar auf 150 m geplant, wurde die Anlage im weiteren Kriegsverlauf noch einmal erweitert und sollte nach Fertigstellung auf 300 Metern Platz für ca. 1.200 Schutzsuchende bieten. Bei Kriegsende soll die Gesamtlänge der Stollen bei circa 180m gelegen haben. Die Breite der Stollen variierte hier zwischen 1,80 und 2,50 Metern.

Zugang erlangten die Schutzsuchenden über einen Treppenschacht am Kapellenweg auf Höhe Hausnr. 11 sowie über einen evtl. nur als Notausstieg fungierenden Zugang an der Goldkampstraße. Für die Bewetterung der Anlage wurde zusätzlich ein Luftschacht im nordwestlichen Bereich des Bunkersystems nach Übertage aufgefahren.

Da die Bauarbeiten hier schnellstmöglich voranschreiten sollten, verblieben einige Stollenbereiche zunächst im Rohbau ohne Sicherung durch Ziegelsteinauskleidungen. Die Bevölkerung nannte die Anlage daher auch "Fuchsloch", da die Felsen-Gänge eher an einen Fuchsbau als an einen Bunker erinnerten. Ungewöhnlich an dieser Anlage war zudem, dass einige Gänge nicht mittels üblichem Tonnengewölbe, sondern lediglich mit Betonplatten ausgesteift wurden, welche ursprünglich für den Bau von Deckungsgräben vorgesehen waren. Auf diese Weise erreichten die Arbeiter bis zum April 1944 immerhin eine Kapazität von etwa 500 Schutzplätzen. Bis Kriegsende konnte diese Zahl noch auf offiziell 600 Plätze gesteigert werden.

Standort Notausstieg Kapellenweg
Hier am Rande der Goldkampstraße befand sich damals der zweite Zugang zum…
Foto: Haubrock | 2015

Über das Innere des Bunkersystems ist leider wenig bekannt. Zeitzeugen-Informationen, welche uns freundlicherweise vom Bürgerverein Schinkel e.V. zur Verfügung gestellt wurden, erlauben jedoch eine grobe Beschreibung vom Aufbau der Anlage. Demnach gab es insgesamt drei parallele Stollen, welche von den Eingängen Kapellenweg und Goldkampstraße sowie mittig von beiden Zugängen ausgehend in Richtung Nordwesten aufgefahren wurden.

Vom Eingang Kapellenweg gelangte man zunächst zu einem Querstollen in südwestlicher Richtung, welcher angeblich hohen Parteifunktionären vorbehalten war. Unter Umständen befand sich an dieser Stelle auch die Kammer des Bunkerwarts. Weiter nördlich schloss sich ein weiterer Stollen in nordöstlcher Richtung an, welcher alle drei Hauptstollen rechtwinklig verband. Parallel zu diesem Querstollen wurden zwei weitere Gänge angelegt. Der mittlere Querstollen war allerdings nicht auf voller Länge aufgefahren worden. Er reichte lediglich vom östlichen Tunnel auf Höhe der Goldkampstraße bis zum mitteleren Hauptstollen und endete dort in einer Kammer, in der eine Wasserpumpe installiert gewesen sein soll.

Eingangsbereich Stollen Kapellenweg
Am Standort des östlichen Eingangsbereichs des LS-Stollens Kapellenweg am…
Foto: Haubrock | 2015

Während der Luftangriffe auf Osnabrück wurde die Anlage insbesondere von Anwohnern entlang der Windthorststraße dankend angenommen, da die nächstgelegene halbwegs bombensichere Bunkeranlagen an der Bremer Straße und am Vaterlandsweg im Ernstfall zu weit entfernt waren. Viele der Schutzsuchenden hatten selbst am Bau des Bunkers mitgewirkt und erhielten im Gegenzug einen sogenannten "Bunkerpass", der einen festen Sitzplatz in der Anlage garantierte.

Das Glück diesen Bunker aufsuchen zu dürfen hatten daher auch nicht alle Schutzsuchenden. Als die Hasestadt am 16. Februar 1945 erneut von alliierten Bombern angegriffen wurde, versuchten neben unzähligen Zivilisten auch zwölf nach Deutschland verschleppte Zwangsarbeiter Zugang zum Bunker zu erhalten. Obwohl es offiziell untersagt war Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern Einlass in öffentliche Schutzräume zu gewähren, so konnten diese Menschen oftmals noch darauf hoffen, dass die Bunkerwärter ein Auge zudrückten und ein wenig Menschlichkeit zeigten. Doch die sieben Italiener und fünf Niederländer, die an diesem Tag vor dem Eingang Kapellenweg standen, hatten dieses Glück nicht. Sie wurden am Eingang abgewiesen und waren damit auf sich allein gestellt. So blieb den Männern in Angesicht der nahenden Bomber lediglich die Flucht ins Gebäude der nahegelegenen Rosenkranzkirche, welches aufgrund der massiven Außenwände zumindest Schutz vor Splittern bieten konnte. Doch als die ersten Bomber die Stadt erreichten, nahm die Tragödie ihren Lauf. Eine verirrte Fliegerbombe traf das Dach der Kirche und ließ nahezu das gesamte Gebäude einstürzen. Die zwölf Männer wurden unter den Schuttmassen begraben und starben an Ort und Stelle. Erst eine Woche später entdeckte man elf leblose Körper im Heizungskeller der Kirche. Der zwöfte Tote wurde erst Jahre später beim Wiederaufbau der Kirche gefunden.

Ob sich die Bunkerwärter im Nachhinein für den Tod der Zwangsarbeiter verantworten mussten, ist nicht bekannt. Die Bunkeranlage selbst blieb bis Kriegsende von Bombentreffern verschont.

Nach dem Krieg war das Stollensystem noch für viele Jahre über den Einstieg an der Goldkampstraße zugänglich, wohingegen der Zugang am Kapellenweg allem Anschein nach zugesprengt wurde. Am Standort des Eingangs soll sich lange Zeit ein tiefer Krater befunden haben, der nach und nach mit Abraum verfüllt wurde. Heute ist hiervon nichts mehr zu erkennen. In den 1990ern wurde die Anlage dann vollständig mit Zement verfüllt.

Für die getöteten Zwangsarbeiter wurde im Jahr 2003 auf Initiative des Lehrers Heinrich Munk der Gesamtschule Schinkel eine Gedenktafel im Kirchengebäude eingerichtet, auf der die Namen aller getöteten Zwangsarbeiter verewigt wurden. Aufgrund von Umbauten im Jahr 2014 wurde diese Gedenktafel umgesetzt und durch Schüler der GSS in einer Nische der Kirche neu aufbereitet. Die verstorbenen Zwangsarbeiter liegen heute auf einem Ehrenfeld bei Hamburg.

Zusammenfassung:

  • Gesamtlänge (offiz. Planzahl)
    300 Meter
  • Aufnahmekapazität (offiz. Planzahl)
    1.200 Personen
  • Bauherr
    Stadt Osnabrück
  • Aufnahmekapazität (offiz. Angaben)
    600 Personen
  • Baubeginn
    1943
  • Gesamtlänge (offiz. erreicht)
    180 Meter
  • Anlage ist noch erhalten
    nein
    Anmerkungen: verfüllt

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Bildmaterial

Fotografien und Bilder

  • Kapellenweg Osnabrück
    Blick vom Kapellenweg zum Standort des ehemaligen Einstiegsschachts des…
    Foto: Haubrock | 2015
  • Standort Notausstieg Kapellenweg
    Hier am Rande der Goldkampstraße befand sich damals der zweite Zugang zum…
    Foto: Haubrock | 2015
  • Eingangsbereich Stollen Kapellenweg
    Am Standort des östlichen Eingangsbereichs des LS-Stollens Kapellenweg am…
    Foto: Haubrock | 2015
  • Abraum Luftschutzstollen Kapellenweg
    Ein Wall aus Abraum am ehemaligen östlichen Eingang des Luftschutzstollens…
    Foto: Haubrock | 2015
  • Deckungsgraben-Bauteil  LS-Stollen Kapellenweg
    Ein Deckungsgraben-Bauteil (Fertigbetonplatte) am östlichen Eingang des…
    Foto: Haubrock | 2015
  • Deckungsgraben-Bauteil am Stollen Kapellenweg
    Etwas freigelegt lässt sich die Betonplatte besser erkennen.
    Foto: Haubrock | 2015

Quellenangaben

Dokumente, Baupläne und Sekundärquellen

Der Bau von Luftschutzstollen in Osnabrück (Möllmann(?), 1943)
Titel / Merkmal
Der Bau von Luftschutzstollen in Osnabrück
Autor / Verfasser / Urheber
Möllmann(?)
Datum
11.11.1943
Nachweisung über LS.Bunker, LS.Stollen und Oeffentl. Luftschutzräume im Stadtgebiet Osnabrück (unbekannt, 1945)
Titel / Merkmal
Nachweisung über LS.Bunker, LS.Stollen und Oeffentl. Luftschutzräume im Stadtgebiet Osnabrück
Autor / Verfasser / Urheber
unbekannt
Datum
09.11.1945
Anmerkungen
Abschrift, 5 Seiten, datiert auf den 9.11.1945, Verfasser unbekannt (Möllmann?)
Kriegs-Chronik - Register zu Band I bis VII - Anhänge (Möllmann, 1956)
Titel / Merkmal
Kriegs-Chronik - Register zu Band I bis VII - Anhänge
Autor / Verfasser / Urheber
Möllmann
Datum
1956
Anmerkungen
Der Luftschutzbau in Osnabrück während des zweiten Weltkrieges (1939 / 1945)
Luftschutz: Neue Aufgaben warten auf uns (Neue Tagespost, 1958)
Titel / Merkmal
Luftschutz: Neue Aufgaben warten auf uns
Autor / Verfasser / Urheber
Neue Tagespost
Datum
08.02.1958
Schinkeler Geschichten (Bürgerverein Osnabrück-Schinkel von 1912 e.V.,, 1990)
Titel / Merkmal
Schinkeler Geschichten
Autor / Verfasser / Urheber
Bürgerverein Osnabrück-Schinkel von 1912 e.V.,
Datum
1990
Der Tag, an dem Osnabrück unterging - 13. September 1944 (Matthias Rickling, 2004)
Titel / Merkmal
Der Tag, an dem Osnabrück unterging - 13. September 1944
Autor / Verfasser / Urheber
Matthias Rickling
Datum
2004
ISBN
1072911600
Gefangene durften nicht in den Bunker (Neue Osnabrücker Zeitung, 2009)
Titel / Merkmal
Gefangene durften nicht in den Bunker
Autor / Verfasser / Urheber
Neue Osnabrücker Zeitung
Datum
23.05.2009
Die Traditionsgaststätte Lührmann in Schinkel-Ost (Neue Osnabrücker Zeitung, 2014)
Titel / Merkmal
Die Traditionsgaststätte Lührmann in Schinkel-Ost
Autor / Verfasser / Urheber
Neue Osnabrücker Zeitung
Datum
24.09.2014
Skizze Stollenbunker Kapellenweg (diverse, kein Datum)
Titel / Merkmal
Skizze Stollenbunker Kapellenweg
Autor / Verfasser / Urheber
diverse
Datum
nicht vermerkt
Zusammenstellung über gebaute L.S. Bunker & Stollen (Verfasser unbekannt, kein Datum)
Titel / Merkmal
Zusammenstellung über gebaute L.S. Bunker & Stollen
Autor / Verfasser / Urheber
Verfasser unbekannt
Datum
nicht vermerkt
Anmerkungen
Tabellarische Auflistung der Hoch-Tief- und Stollenbunker in Osnabrück; Schreibmaschine, undatiert, 2 Seiten
Neue Osnabrücker Zeitung, 24.10.2012 (, kein Datum)
Titel / Merkmal
Neue Osnabrücker Zeitung, 24.10.2012
Autor / Verfasser / Urheber
Datum
nicht vermerkt
Anmerkungen
Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ)
Neue Osnabrücker Zeitung, 24.01.2014 (, kein Datum)
Titel / Merkmal
Neue Osnabrücker Zeitung, 24.01.2014
Autor / Verfasser / Urheber
Datum
nicht vermerkt
Anmerkungen
Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ)
Kriegs-Chronik - Band VI - Juli 1944 bis Oktober 1944 (Stadt Osnabrück, kein Datum)
Titel / Merkmal
Kriegs-Chronik - Band VI - Juli 1944 bis Oktober 1944
Autor / Verfasser / Urheber
Stadt Osnabrück
Datum
nicht vermerkt
Anmerkungen
Niedersächsisches Landesarchiv; NLA OS, Dep 3 b XV, Nr. 6

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  1. 16. Februar 1945

    62. Luftangriff auf Osnabrück

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