Donnerstag, 10. Oktober 1940: Erlass des Luftschutz-Sofortprogramms

Erlass des Luftschutz-Sofortprogramms

Bauarbeiten am Lohbunker 1941
Bauarbeiten am Lohbunker in der Osnabrücker Altstadt im Jahr 1941
Foto: Fotograf unbekannt, unbekanntes Archiv | 1941

Aufgrund der ab Sommer 1940 stetig zunehmenden Operationen der Royal Air Force über dem deutschen Reichsgebiet und die seit September 1940 kontinuierlich steigende Zahl an Luftangriffen auf Berlin geriet die NS-Parteiführung in Sorge, dass die ständigen Angriffe mittelfristig einen demoralisierenden Effekt auf die Zivilbevölkerung haben würden. Um dieser Reaktion vorzubeugen wurde in einer Krisensitzung am 26. September 1940 ein geheimer Maßnahmenkatalog verabschiedet, welcher unter Anderem den unverzüglichen Bau bombensicherer Luftschutzbunker für die Zivilbevölkerung in luftgefährdeten Gebieten des Deutschen Reichs vorsah.

Am 10. Oktober 1940 wurden die Maßnahmen in Form eines Erlasses, welcher später als Führer- oder Luftschutz-Sofortprogramm bekannt werden sollte, an die entsprechenden Dienststellen im Deutschen Reich ausgegeben.

Der Erlass des Sofortprogramms im Wortlaut:

"(...)I. Zur sofortigen Durchführung auf dem Gebiete des Luftschutzbauwesens ordne ich an:

1.) Für Wohngebiete (städtische Gebiete, Siedlungen, Laubenkolonien), in denen keine oder unzureichende Luftschutzräume vorhanden sind, sind behelfsmäßige Schutzmaßnahmen zu treffen.

2.) Vorhandene oder neu zu bauende Verkehrsstraßen oder Verkehrsanlagen (z.B. Untergrundbahnen und Tunnelbauten) sind für den Bau bombensicherer, unterirdischer Luftschutzräume auszunutzen.

3.) Die in Luftschutzräumen vorhandenen Öffnungen in den Aussenwänden des Gebäudes sind zu beseitigen unter gleichzeitiger beschleunigter Durchführung der gesetzlich angeordneten Brandmauerdurchbrüche.

4.) Neu zu errichtende öffentliche Luftschutzräume sind bombensicher zu bauen, die vorhandenen öffentlichen Luftschutzräume sind - soweit möglich - auf Bombensicherheit zu verstärken.

5.) Bei allen Neubauten, insbesondere bei Bauten der Rüstungsindustrie, sind von vornherein bombensichere Luftschutzräume auszuführen. Sie sind in der gleichen Dringlichkeitsstufe wie die Bauvorhaben selbst aufzunehmen.

6.) In Berlin sowie in anderen vom Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe zu bestimmenden Städten sind die Baulücken für die Errichtung bombensicherer Luftschutzräume als Untergeschoss der später zu errichtenden Neubauten auszunutzen.

7.) Die Keller aller öffentlichen und privaten Gebäude sind sofort auf ihre Eignung als Luftschutzräume zu überprüfen und bei Gelegenheit für die Bevölkerung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, dass sie für die Aufrechterhaltung des Betriebes lebenswichtig sind.

8.) Die Weisungen für die Durchführung der zu treffenden Maßnahmen erlässt der Reichsminister der Luftfahrt (RmdL) und der Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Bei der Durchführung haben die Dienststellen des Reichsministers Dr. Ing. Todt und des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt mit den Dienststellen der Luftwaffe eng zusammenzuarbeiten.

9.) Mit der Durchführung der Maßnahmen in Berlin habe ich den Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt beauftragt.

10.) Zur Durchführung dieser kriegswichtigen Aufgaben sind die notwendigen Bauarbeiter, Baustoffe und Transportmittel bereitzustellen.

11.) Auf alle mit der Durchführung von Luftschutzmaßnahmen betrauten Dienststellen ist aufklärend einzuwirken, dass von den Luftschutzbestimmungen nicht abgewichen wird.

II. Ich beauftrage den Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe die notwendigen Maßnahmen zu treffen, dass bei allen zukünftigen Planungen im deutschen Raum und bei der konstruktiven Durchbildung von Bauwerken die Luftkriegserfahrungen berücksichtigt werden.

gez. Adolf Hitler (...)"

Die Maßnahmen umfassten zunächst 60 deutsche Groß- und Industriestädte, welche als Luftschutz-Ort (LS-Ort) ersten Grades eingestuft wurden. Ausschlaggebend für diese Einstufung waren im Wesentlichen drei Faktoren: Einwohnerzahl bzw. Großstadtstatus, wichtige Infrastruktur (Verkehrsknotenpunkte) und/oder kriegswichtige Industrie.

Osnabrück, seit Anfang 1940 offiziell Großstadt, war eine dieser 60 Städte, welche für den Bau von bombensicheren Luftschutzbunkern ausgewählt wurden. Die Stadt galt aufgrund des Eisenbahnkreuzes und diverser Betriebswerke der Reichsbahn als Eisenbahnhochburg und Verkehrsknotenpunkt zugleich. Auch verfügte Osnabrück über eine große Ansammlung stahlverarbeitender Industriebetriebe wie etwa die Osnabrücker Kupfer- und Drahtwerke (OKD), die Röscher-Werke, Klöckner, Weymann oder der Automobilhersteller Karmann. Auch großen Mengen an Uniformen und Munition für Wehrmacht und Luftwaffe stammten aus Osnabrücker Produktion. Hinzu kam die strategisch ungünstige Lage der Stadt, da sie sich im direkten Einfluggebiet britischer Bomberverbände befand.

Osnabrück galt folglich aus äußerst stark gefährdete Stadt und erhielt daher Fördermittel zum Bau von zunächst fünf großen Bunkeranlagen im Stadtgebiet mit einer Gesamtkapazität von ca. 5.000 Plätzen. Diese befanden bzw. befinden sich unter dem Rosenplatz (Tiefbunker), am Stahlwerksplatz (Hochbunker), an der Oststraße (Hochbunker), der Hasemauer (Hochbunker) und am Hauptbahnhof (Hochbunker), wobei letzteres Bauvorhaben von der Reichsbahn getragen und lediglich bezuschusst wurde. Auch der Ausbau von Deckungsgräben wurde nun forciert. Einfache Splittergräben, wie sie überall im Stadtgebiet bereits seit September 1939 existierten, wurden nun durch massives Mauerwerk und Betondecken verstärkt und weitestgehend trümmer- und gassicher gemacht.

Quellenangaben

Dokumente, Baupläne und Sekundärquellen

Verwaltungsbericht für die Zeit vom 1. April 1943 - 1. April 1944, Abtl. Luftschutzbau (unbekannter Verfasser, kein Datum)
Titel / Merkmal
Verwaltungsbericht für die Zeit vom 1. April 1943 - 1. April 1944, Abtl. Luftschutzbau
Autor / Verfasser / Urheber
unbekannter Verfasser
Datum
nicht vermerkt
Bunkerwelten - Luftschutzanlagen in Norddeutschland (Michael Foedrowitz, 1998)
Titel / Merkmal
Bunkerwelten - Luftschutzanlagen in Norddeutschland
Autor / Verfasser / Urheber
Michael Foedrowitz
Datum
1998
ISBN
883609200
Anmerkungen
1. Auflage 1998
Der Brand - Deutschland im Bombenkrieg 1940 - 1945 (Jörg Friedrich, 2012)
Titel / Merkmal
Der Brand - Deutschland im Bombenkrieg 1940 - 1945
Autor / Verfasser / Urheber
Jörg Friedrich
Datum
2012
ISBN
1325372400

Bildmaterial

Fotografien und Bilder

  • Bauarbeiten am Lohbunker 1941
    Bauarbeiten am Lohbunker in der Osnabrücker Altstadt im Jahr 1941
    Foto: Fotograf unbekannt, unbekanntes Archiv | 1941

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Hinweis zur Chronik

Ich bitte zu beachten, dass die hier aufgeführten Informationen zu den Ereignissen in Osnabrück während des 2. Weltkriegs nur ein "Beiwerk" sind und nicht in dem Maße gepflegt werden, wie es vielleicht wünschenswert wäre. Es soll hierdurch nur die Möglichkeit geschaffen werden, die Entwicklungen im Bunkerbau mit den Luftangriffen auf Osnabrück zeitlich in Verbindung zu bringen. Selbstverständlich versuche ich hier eine gewisse historische Hintergrundbasis zu schaffen, aber ich kann in diesem Umfang keine vollumfängliche Chronik für diesen Zeitraum anbieten. Hierfür fehlt mir leider schlichtweg die Zeit.